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1. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 13

1904 - Cöthen : Schulze
— 13 — die Erhaltung der Habsburgischen Universalmacht und die Unterdrückung des Protestantismus war ihm nicht gelungen. Er zog sich in klösterliche Einsamkeit nach Spanien zurück, wo er zwei Jahre darauf starb. — Zweiter: Abschnitt: Die Ieil 6er Gegenreformation, per dreißigjährige Krieg (1555—1648). So viel auch durch den Religionsfrieden von 1555 erreicht worden war, so barg derselbe doch wieder Keime zu neuen Zwistigkeiten, da über wichtige Fragen eine Einigung nicht erzielt war. Es galt für die Evangelischen, sich fest zusammenzuschließen in einer Zeit, in der die katholische Kirche wieder innerlich erstarkte. Das Tridentiner Konzil, mit Unterbrechungen von 1545—1563 und nicht immer in Trient tagend, ließ den Katholicismus wieder mächtiger werden. Der katholische Lehrgehalt wurde im Gegensatz gegen die Lehreder Reformation genau festgelegt und begründet; manche Mißbräuche wurden abgestellt; den Geistlichen wurde ein streng sittliches Leben zur Pflicht gemacht; die Machtstellung des Papstes gekräftigt. Das Konzil war je länger je mehr von Jesuiten beeinflußt und geleitet worden. Der Jesuitismus ist die schärfste Waffe des Katholicismus in der Zeit der Gegenreformation gewesen. Von Ignatius Loyolas gegründet und 1540 vom Papste bestätigt, hat der Orden eine außerordentliche Tätigkeit in Deutschland und nicht nur in Deutschland entwickelt durch eine straffe Organisation, durch x) Ignatius Loyola einem vornehmen spanischen Geschlecht entsprossen, geb. 1491 (1493 ?), Bei der Verteidigung Pampelonas gegen die Franzosen (1521) verwundet, wird auf dem Krankenlager durch Lektüre von Heiligenlegenden für den Dienst Gottes gewonnen; gibt sich eifrigen Studien hin und ftest sich Ende der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts mit seinen Genossen dem Papste zur Verfügung. — Das innere Erstarken des Katholicismus.

2. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 124

1904 - Cöthen : Schulze
— 124 — Zollbundes mit dem ebenfalls 1828 entstandenen bayrisch-württem-bergischen Zollbunde zu hintertreiben. Doch es gelang dem preußischen Finanzminister Motz, 1828 mit Hessen-Darmstadt, 1829 mit Bayern Handelsverbindungen anzuknüpfen, außerdem zum Verkehr zwischen Preußen und Bayern zollfreie Slraßen durch das Gothmsche und Meiningische zu gewinnen (1829). Dadurch besonders wurden die übrigen Staaten zum Anschluß gezwungen. Im Jahre 1834 war das außerösterreichische Deutschland so ziemlich geeinigt; 1854 ging auch der „Steuerverein", den (1837) Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Lippe geschlossen hatten, in dem allgemeinen preußischdeutschen Zollverein auf. Es war ein großes Werk durch Preußens Verdienst vollendet. Die politische Einigung ließ noch lange auf sich warten. Das Streben nach freiheitlichen Verfassungen hatte den Gedanken der Einigung Deutschlands in den Hintergrund gedrängt; deshalb war es wichtig, daß wenigstens die wirtschaftliche Einigung Deutschlands (ohne Österreich) durch Preußen vollzogen und so ein wichtiges Mittel geschaffen wurde, auch die politische Einigung anzubahnen. Auch durch Anlegung von Kunststraßen, durch Aufhebung von allerlei Beschränkungen der Schiffahrt auf den Flüssen, durch Besserung des Postwesens wurde der Verkehr in Preußen in der Zeit Friedrich Wilhelms Iii. sehr gehoben. — Auf dem Gebiete der Verwaltung war die Einteilung des preußischen Staates in acht Provinzen von Bedeutung. Es galt, die neu gewonnenen Länder dem Staate einzuverleiben. Bei der Einteilung der Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise ging die preußische Regierung mit möglichster Schonung vor. Das Heerwesen in Preußen wurde auf der in den Freiheitskriegen gelegten Grundlage weiter ausgebaut. Unter Scharnhorsts Schüler, dem Kriegsminister von Boyen, wurde 1814 die allgemeine Wehrpflicht zum Gesetz erhoben1). Landwehr und Landsturm blieben bestehen. Das ganze Heer wurde in acht Armeekorps eingeteilt. In kirchlicher Beziehung war die zur Feier des Resormationsfestes 1817 vom Könige befohlene Union der lutherischen und reformierten Kirche von Segen, wenn auch die vom Könige selbst verfaßte Agende viel Widerspruch hervorrief und wenn auch streng lutherische Gemeinden sich absonderten. Der katholischen Kirche kam Friedrich Wilhelm Iii. sehr i) Vgl. Sz. 268, 462 b, 466, 469 a.

3. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 215

1904 - Cöthen : Schulze
— 215 — staaten die ihnen gebliebene Gerichtsbarkeit „zwar kraft eigenen Rechtes und im eigenen Namen aus, aber nicht isolirt, sondern als Glieder einer höheren Einheit, und sie sind bei dieser Ausübung nicht souverän, sondern durch die vom Reiche ihnen ertheilten Vorschriften gebunden/") (Über das Begnadigungsrecht der Landesherren siehe zu Sz. 395.) — Das Kirchenwesen blieb den Einzelstaaten allein überlassen. regi£=der Die Landesherrn nehmen das ins advocatiae et inspectionis, Landerdas Schutz- und Aussichtsrecht über sämtliche Kirchen ihrer Länder in Anspruch; auf Grund des Aussichtsrechts des Staates müssen die Kirchen ihre Verordnungen und Gesetze der Genehmigung der weltlichen Obrigkeit unterbreiten (das sog. Placet). Man unterscheidet dabei das ins circa sacra von dem ins in sacra; nur das erstere wird in der Regel dem Landesherrn eingeräumt,2) Während die rein geistlichen, die inneren kirchlichen Angelegenheiten der weltlichen Regierung entzogen sind; freilich ist nicht leicht zu bestimmen, welche Angelegenheiten rein geistliche sind. In einem evangelischen Lande mit katholischem Landesherrn wie in Sachsen wurde die Ausübung des landesherrlichen Episkopalrechts über die evangelischen Untertanen einer besonderen evangelischen Ministerial-behörde anvertraut. Insbesondere behielten sich die Landesherren auch die Bestätigung der Geistlichen der evangelischen und katholischen Kirche, deren Ernennung nicht unmittelbar vom Landesherrn oder von dessen Behörden erfolgt, ausdrücklich vor, so im Hannoverschen Grundgesetz des Jahres 1833?) So gewiß die Artikel 15, 16 und 18 der preußischen Verfassung die Freiheit und Selbständigkeit der Kirchen gegenüber dem Staate bezweckten, so konnte die Absicht dieser Bestimmungen doch nicht dahin gehen, das staatliche Aufsichtsrecht über die Kirchen in Preußen aufzuheben. Da aber diese Artikel von der katholischen Kirche, von den Ultramontanen im staatsfeindlichen Sinne ausgenutzt wurden, so mußten sie in der Zeit des Kulturkampfes aufgehoben rc>erden. Die feit der Reformation zur Ausbildung gekommenen evangelischen Konsistorien blieben bestehen; in größeren Ländern wurde die Oberaufsicht über das Kirchenwesen dem Ministerium des Kultus übertragen. In !) Labarid, a. a. O. S. 217 f. unten. — 2) Doch vgl. Sz. 414a, § 15. 3) Doch siehe Preuß. Verfassung Art 18; Sz. 410.

4. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 216

1904 - Cöthen : Schulze
— 216 — Preußen bekam die „Abteilung des Ministern der geistlichen Angelegenheiten für die inneren evangelischen Kirchensachen" den Titel „Evangelischer Ober-Kirchenrat". In Preußen wurde auch eine besondere katholische Abteilung im Kultusministerium „zur Wahrnehmung der Königlich preußischen Rechte gegenüber der katholischen Kirche" gegründet; als aber diese Behörde immer mehr die Geschäfte des Papstes und der Ultramontanen besorgte, wurde auch sie aufgehoben. Zu den Konsistorien traten je länger je mehr Synoden und Pres-byterialbehörden hinzu; im Grunde beschränken doch bei Einrichtung solcher Organe die Landesherren ihre kirchlichen Hoheitsrechte, und die imbn@$er ^r(*)e wird dem Staate gegenüber freier. — Auch das Schulwesen ist durchaus den Einzelstaaten verblieben. Wie der Staat ein Aufsichtsrecht über die Kirchen ausübt, so auch über die Schule; und eben diese Schulaufsicht ist das beste Mittel des Staates, um die Herrschaft auf dem Gebiete der Schule zu behaupten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterstanden die Unterrichtsund Bildungsanstalten zumeist den Konsistorien, die Universitäten direkt dem Ministerium. Die Reichsverfassung von 1849 wollte das gesamte Unterrichts- und Erziehungswesen (abgesehen vom Religionsunterricht) der Beaufsichtigung der Geistlichkeit entziehen. Die preußische Verfassung (1850) erklärte das Schulwesen als unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden stehendx) und die öffentlichen Lehrer als Staatsdiener; und das preußische Schulaufsichtsgesetz (1872) hob alle Schulaufsicht, die nicht im Aufträge des Staates ausgeübt wurde, auf: der Staat allein hat die Lokal- und Kreisfchulinspektion zu ernennen und die Aufsichtsbezirke abzugrenzen. In der Regel läßt der Staat die Schulaufsicht wenigstens in der untersten Instanz durch Geistliche im Nebenamte versehen, als solche handeln diese durchaus im Aufträge des Staates. Der Schulzwang kam erst im 19. Jahrhundert zur völligen Durchführung. Von den Lehrern, deren Anstellung „unter gesetzlich geordneter Beteiligung der Gemeinden" der Staat ebenfalls für sich beansprucht, verlangt der Staat den Befähigungsnachweis; auch gewährleistet er den Lehrern ein festes Einkommen und sorgt für die Pension derselben und für ihre Witwen und Waisen. Den Gemeinden übertrug die preußische !) Doch vgl. Art. 112 der preußischen Verfassung.

5. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 233

1904 - Cöthen : Schulze
— 233 — in Kranken- oder sorgsam ausgestatteten Sanitätszügen in die Heimat befördert. Hier wurden sie in Reserve-Lazaretten, die schon im Frieden hergerichtet waren, gepflegt1). — Die Seelsorge im Heere wird im Frieden durch Militärpfarrer besorgt. Im Kriege von 1870 stellten sich auch viele Civil-Geistliche zur Verfügung. Durch Abhaltung von Gottesdiensten, durch Ansprachen an die Truppen vor einer Schlacht, durch geistliche und leibliche Pflege der Verwundeten auf dem Kampfplatze und in den Lazaretten haben die Geistlichen beider Bekenntnisse in Segen gewirkt. Neben der eigentlichen Seelsorge sahen sie ihre Ausgabe besonders noch darin, den patriotischen und sittlichen Geist im Heere zu erhalten und zu fördern. — Die Sorge für die Invaliden und die Hinterbliebenen der Gefallenen, die Unterstützung vieler durch den Ruf zur Fahne in ihren Erwerbsverhältnissen Benachteiligten wurde unmittelbar nach dem Kriege reichsgesetzlich geregelt. Die Mittel zur Jnvaliden-versorgung wurden aus einem Teil der französischen Kriegskostenentschädigung bestritten (Reichsinvalidenfonds). — Die Handhabung der Heerespolizei besorgte in der Zeit des Deutschen Bundes eine besondere Feld - Gendarmerie, ähnlich im Kriege 1870. Sie hatte im letzten Kriege die von den Armeen benutzten Straßen freizuhalten, allerlei Räubereien, namentlich seitens ehrloser Civilpersonen Einhalt zu tun, die Verwundeten aufzusuchen und zu schützen, die Kampfplätze zu reinigen und anderes. — In den Freiheitskriegen tü^eg9tf-t kam nach den Jahren der Knechtschaft die alte preußische Kriegstüchtigkeit wieder zu Ehren. Der Krieg von 1870 verhalf der geeinten deutschen Kriegstüchtigkeit zu neuen Siegen und Erfolgen. — Der Geist einer humanen Kriegsführung wird in der Neuzeit besonders durch die Genfer Konvention, der auch das Deutsche Mrung. Reich beigetreten ist, gekennzeichnet. — In der Zeit des Deutschen Bundes mußten die Kontingentsherren die Kosten, welche ihre Leistungen. Kontingente ihnen verursachten, selber tragen. Für die gemeinsamen Kosten, welche das Bundesheerwesen erforderte, wurde aus den matrikularmäßigen Beiträgen sämtlicher Bundesglieder eine eigene Kriegskasse errichtet. Im Norddeutschen Bunde und im heutigen Reiche ist ebenfalls eine gleichmäßige Verteilung der Kosten und Lasten des Kriegswesens vorgesehen. Dem Bundesfeldherrn bezw. J) Über die Genfer Konvention vgl. Sz. 518a, b und c.

6. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 176

1904 - Cöthen : Schulze
— 176 — Güter, nicht immer nur zu frommen Zwecken, wurde nicht allem von den evangelischen Reichsständen, sondern auch von den katholischen genügend besorgt; überhaupt haben auch die katholischen Fürsten in der Reformationszeit das Kirchenregiment zum Teil an sich gerissen; wie ja auch das ins reformandi beiden Religionsteilen zuerkannt wurde. Mit dem Verfügungsrecht über die geistr lichen Besitzungen hängt das „Recht der ersten Bitten" zusammen, das jetzt ebenfalls von den Landesherrn geübt wird; doch ist übrigens schon in früheren Jahrhunderten auch von den Landesherrn Wenigstens bei mittelbaren Stiftern dieses Recht gehandhabt worden.2) undschul?— Mit der Sorge für die Kirche übernahmen die Landesherren in und seit der Reformationszeit zugleich auch die Sorge für die Schule, als „ein nicht geringes Kleinod" des Landes. Luther erhob verschiedentlich seine Stimme für die Verbesserung des Schulwesens, der hohen und niederen Schulen. Seine ernsten Mahnungen sind nicht aus unfruchtbaren Boden gefallen. Er kann seinen Kurfürsten rühmen, daß derselbe sich persönlich um seine Universität kümmere; er hat seine Freude an dem Aufblühen so mancher Schule. Aus dem Kirchengute wurden die Kosten für das Schulwesen zumeist bestritten, so für jene Fürstenschulen im Herzogtum Sachsen. Wie die Schäden des Schulwesens durch die Kirchen-Visitation im Jahre 1527 und 1528 im Kurfürstentum Sachsen aufgedeckt wurden, so schärften die Landesherrn auch ferner den Superintendenten und Obrigkeiten ein, die Schulen zu visitieren. Durch Stipendien sorgten die Fürsten und nichtfürstliche Personen ebenfalls für ein weiteres Gedeihen der Schulen. Allmählich wurde seitens der Landesherren auch der Schulzwang eingeführt, ?au2err ^en schon unser Reformator angelegentlichst empfahl?) — Das im vorigen Zeitraume einzelnen Landesherrn durch besondere Privilegien zugestandene Recht, daß ihre Untertanen nicht vor fremde Gerichte gezogen werden dürfen (privil. de non evocando), wird in der Kammergerichtsordnung vom Jahre 1521 allgemein zum Grundsatz erhoben; unter fremden Gerichten werden solche innerhalb und außerhalb des Reiches ausdrücklich !) Vgl. Eichhorn. . 1885, T. Ii, § 328. 2) Der Schulzwang wurde 1619 in Weimar, 1642 in Koburg-Gotha, 1649 in Württemberg, 1737 für Ostpreußen, 1763 für den ganzen preußischen Staat eingeführt. —

7. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 149

1904 - Cöthen : Schulze
— 149 — Bayern bot am 3. Dez. 1870 im Namen aller deutschen Fürsten dem Könige Wilhelm I. von Preußen die Kaiserkrone an. Ein Mehrer des Reiches zu sein nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an „den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung" — das gelobte unser unvergeßlicher Kaiser Wilhelm I. in Versailles, und das hat er treulich gehalten. — In der Encyklika und in dem Syllabns vom Jahre 1864 hatte 2)cfrq5fuur: Pius Ix. die alten Weltherrschaftspläne der Kirche wieder aufleben lassen. Das am 18. Juli 1870, einen Tag vor der französischen Kriegserklärung auf dem Vatikanischen Konzil beschlossene Unfehlbarkeitsdogma enthielt die Keime neuer Kampfe zwischen Staat und Kirche. Die sich diesem Dogma nicht fügenden Katholiken traten zum Altkatholicismus zusammen. Am 20. September 1870 wurde Rom von Viktor Emanuel von Italien erobert und zur Hauptstadt des geeinten Italiens gemacht. Die Centrumspartei im Deutschen Reichstage wollte das Deutsche Reich zu einer Intervention zugunsten der weltlichen Herrschaft des Papsttums veranlassen. Sie hatte damit kein Glück. Die Bonner Professoren, die von dem Erzbischof Melchers von Köln exkommuniziert wurden, weil sie dem Unfehlbarkeitsdogma sich nicht fügten, fanden bei der preußischen Regierung Schutz, ähnlich auch der Braunsberger Gymnasiallehrer Wollmann. Der sog. Kanzelparagraph, der noch im Jahre 1871 auf Bayerns Antrag vom Reichstage zum Gesetz erhoben wurde, stellte den Mißbrauch der Kanzel zu politischen Wühlereien unter Strafe. Das preußische Schulaufsichtsgesetz (1872) entzog der Geistlichkeit ihren Einfluß auf die Volksschulen. Den zum Botschafter bei der Kurte vom Kaiser vorgeschlagenen Kardinal Hohenlohe wies Pius Ix. zurück. Damals sprach Bismarck in einer berühmten Reichstagsrede (14. Mai 1872) die Worte: „Nach Kanossa gehen wir nicht!" Das Jesuitengesetz (4. Juli 1872) verbot diesem Orden den Aufenthalt im Deutschen Reiche. Die auf die Gründung eines selbständigen Polenreichs gerichteten polnischen Bestrebungen wurden vom Papst durch die Ernennung des Posener Erzbischofs Ledochowski zum Primas von Polen unterstützt. Die „Maigesetze" (1873) des preußischen Kultusministers Falk verboten die Verfügung kirchlicher Strafen mit bürgerlicher Wirkung, verpflichteten die katholischen Bischöfe, den staatlichen Organen Anzeige

8. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 150

1904 - Cöthen : Schulze
— 150 — zu machen von den anzustellenden Geistlichen, deren Bestätigung sich die Regierung vorbehielt, machten den katholischen Geistlichen das „Kultur ex amen" zur Pflicht und ernannten einen obersten kirchlichen Gerichtshof, der über Vergehen von Klerikern gegen die Staatsgesetze urteilen sollte. Immer heftiger wurde der Widerstand der Ultramontanen. In der Antwort auf das anmaßende Schreiben des Papstes an Kaiser Wilhelm (Sept. 73) belehrte dieser jenen, daß in Preußen kein Gesetz ohne die Zustimmung der Krone zustande komme und daß der evangelische Christ keinen anderen Mittler als Jesum Christum kenne. Im November 1873 sagte der Papst in einer Encyklika, daß die preußischen Landesgesetze nur zur Zerstückelung der katholischen Kirche gegeben seien. Die Anzeige der Geistlichen seitens der Bischöfe wurde unterlassen; die preußische Regierung erklärte darauf die Amtsverrichtungen der ohne Voranzeige eingesetzten Geistlichen für ungiltig und schritt, um den daher entstehenden Unzuträglichkeiten ein Ende zu machen, zur Einführung der Civilehe und des staatlichen Standesamts (1874), Einrichtungen, die dann auch im Reiche gesetzlich wurden. Der Verhetzung der Kaplanpresse gab man das Attentat Kullmanns gegen Bismarck (Juli 1874) schuld. Wegen ihres hartnäckigen Widerstandes gegen die Staatsgewalt mußten Ledochowski und viele andere Bischöfe ihres Amtes entsetzt werden' auch wurden die staatlichen Geldzahlungen an den widerstrebenden Klerus aufgehoben. Um den Vorwurf gegen die preußische Regierung abzuschneiden, als handele diese verfassungswidrig, wurden die Artikel 15, 16 und 18 in der preußischen Verfassung beseitigt. Das Heer von Ordensleuten, außer den Orden, die sich mit der Krankenpflege und dem Schulunterricht befaßten, wurde aus Deutschland ausgewiesen (1875). Zur Verwaltung des Kirchenvermögens wurden die Gemeinden mit-herangezogen. Erst der Tod Pius Ix. (Febr. 78) bahnte den Weg zur Versöhnung. Leo Xiii., Pius Ix. Nachfolger, sprach dem Kaiser Wilhelm gegenüber seinen Wunsch nach Frieden aus. Der Kaiser hatte schwer an dem Gedanken getragen, daß die Gewissen seiner katholischen Untertanen in dieser Zeit des Kulturkampfes in Bedrängnis gekommen sein möchten: so nahm er gern die dargebotene Friedenshand an. Die Regierung gab ein Gesetz nach dem anderen preis, auch um die Unterstützung des Centrums in anderen politischen Fragen zu haben. Falk trat 1879 zurück.

9. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 151

1904 - Cöthen : Schulze
— 151 — Von der ganzen preußischen Gesetzgebung blieb nicht viel mehr übrig als die Anzeigepflicht bei Besetzung kirchlicher Stellen (btefe aber auch nur mit Beschränkung), ferner die Schulaufsicht, das Gesetz über die Verwaltung des kirchlichen Gemeindevermögens und die obligatorische Civilehe. Auch blieb es bei der 1871 geschehenen Aushebung der katholischen Abteilung des preußischen Kultusministeriums und bei der Aushebung der genannten Artikel in der preußischen Verfassung. Im letzten Grunde hat der Kulturkampf den Katholicismus und die Centrumspanei gestärkt. — Eine zweite schwere Gefahr droht dem neuen Deutschen Reiche %^leale von feiten der Sozialdemokratie. Die großartigen technischen Veränderungen des 19. Jahrhunderts führten eine Verschärfung der sozialen Gegensätze herbei: auf der einen Seite eine kleine Gruppe Kapitalisten, auf der anderen die Massen der Fabrikarbeiter. Ferdinand Laffalle, ein geistreicher, ehrgeiziger Mann jüdischer Herkunst (1825—1864), gründete 1863 den „allgemeinen deutschen Arbeiterverein". Er hoffte durch staatliche Unterstützung der zu Produktivgenoffenfchaften sich zusammenschließenden Arbeiter die soziale Frage lösen zu können, im Gegensatz zu dem der Fortschrittspartei angehörenden Schulze-Delitzsch, der die Arbeiter auf Selbsthilfe verwies, sie zur Sparsamkeit veranlaßte und allerlei Genossenschaften, wie Rohstoff-, Vorschuß-, Spar-, Darlehns- und Konsumvereine, zum Besten der Arbeiter und Handwerker ins Leben rief. Nach Ferdinand Laffalles Theorie steht die Arbeiterwelt unter dem ehernen Lohngefetz, die Arbeitslöhne können nur kleinen Schwankungen unterliegen, eine Selbsthilfe der Arbeiter auf dem Wege des Sparens führt zu keiner gründlichen Hilfe. Laffalle war politisch fein Feind der Monarchie; von einem starken Deutschen Kaisertum unter Preußens Führung versprach er sich eine Erfüllung feiner Pläne; doch er starb schon 1864. Nach einigen unbedeutenden Führern übernahm von Schweitzer die Leitung der Arbeitervereine. Unter ihm wuchs die Zahl derselben um ein beträchtliches. Mehr und mehr bekamen in ihren Kreisen kommunistische (d. i. auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel hinzielende) und staats-und religionsfeindliche Ideen der „internationalen Arbeiterassociation" die Oberhand. Letztere wurde 1864 gegründet; ihr geistiger Urheber war Marx, ein zumeist in London lebender Deutscher jüdischen Geblütes (der Verfaffer des Hauptwerks der deutschen Sozial-

10. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 175

1904 - Cöthen : Schulze
— 175 — Jahre 1525. Jagd- und Fischerei-Ordnungen beschränkten die Gerechtsame des Volkes und unterstellten alles Jagen und Fischen Ler staatlichen Gesetzgebung. Durch Schutzzölle wurden namentlich die fremden Waren besteuert. Das Münzrecht galt in dem Maße mit der Landeshoheit verbunden, daß die Landesherren nur ihr eigenes Bild den Münzen aufprägen ließen oder die Münzfreiheit verkauften oder verpachteten. Reichsposten zu errichten, galt als kaiserliches Regal; in die Verwaltung seiner Landesposten ließ sich ein Friedrich Wilhelm von Brandenburg nicht dareinreden. — Hatte schon in den Jahrhunderten vor der Reformation die Landes-Landesherr hoheit auf dem Gebiete der Kirche sich zu entwickeln begonnen, so gab doch erst die Reformation selbst Veranlassung zur völligen Ausbildung des landesherrlichen Kirchenregiments. Die Wahrheit des Evangeliums fand bei der weltlichen Obrigkeit Schutz; so wurde von evangelischen Theologen und Juristen das landesherrliche Recht des weltlichen Kirchenregiments auch in der Theorie ausgebildet. Das Diöcesanrecht und die geistliche Gerichtsbarkeit über die Evangelischen wurden den Bischöfen im Augsburger und im westfälischen Frieden genommen: und im Jahre 1648 wurde die geistliche Jurisdiktion evangelischer Landesherren über ihre evangelischen Untertanen ausdrücklich anerkannt. Kraft dieser Bischofsrechte hielten sich die evangelischen Fürsten zu Kirchen-und Schulvisitationen in ihren Landen berechtigt und verbunden, gaben den Gemeinden Kirchenordnungen, besetzten die Kirchen-und Schulämter und ließen durch Superintendenten und Konsistorien die geistliche Gerichtsbarkeit ausüben. Die Konsistorien wurden, wie noch heute, mit Theologen und Juristen besetzt. Entscheidung von Lehrstreitigkeiten, Ehesachen, Verstöße gegen die Kirchenordnungen, die Angelegenheiten des Kirchenvermögens, Schenkungen und Abgaben an die Kirchen und andere geistliche und kirchliche Dinge gehörten vor diese Kirchenbehörde. In dem Religionsfrieden von 1648 wurde auch das ius refbrmandi, das Recht, zu einer anderen Religion überzutreten und den Bekenntnisstand des Landes zu ändern, im allgemeinen als ein mit der Territorialhoheit verbundenes Recht anerkannt.1) Die Einziehung kirchlicher x) Vgl. Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, 1836. T. Iv., § 524, S. 269 f.
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